Ghul
Im Blut eines Vampirs liegt große Macht – Macht, die man weitergeben kann. Vor langer Zeit entdeckten die Kainskinder, dass Sterbliche, die Vampirblut tranken, übernatürliche Fähigkeiten und dunkle Gelüste entwickelten. Bald war es unter den Vampiren üblich, Lieblingsdiener zu haben, sie mit Vitæ vollzustopfen und dabei in ein Blutsband zu zwingen. So schufen sie unsterbliche, unbeirrbar loyale Diener – Ghule.
Die meisten Ghule sind von den Launen ihrer Domitor (Herren) abhängig, sie dienen loyal und bekommen dafür Vitæ. Da sie für das Blutsband genauso anfällig sind wie jeder andere auch, sind Ghule fast ausnahmslos ihren Herren treu ergeben – und wenn der Domitor mehr als einen Ghuldiener hat, kann das zu Eifersüchteleien um die Gunst des Domitors zwischen diesen führen. Die Gefühle eines Ghuls neigen zu Extremen, denn er hat die berauschende Droge Vitæ in seinen Adern – eine solche Kreatur verfällt oft in rasende Wut und entwickelt verstörende Begierden. Der Name „Ghul“ ist nicht zufällig gewählt.
Arten von Ghulen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Vasallen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
„Nein, jetzt hörst du mal mir zu. Mir ist es egal, wer du bist oder zu wem du gehörst; die Dame möchte nicht gestört werden. Also wird sie auch nicht gestört. Capisce?“
Die meisten Vampire denken an Vasallen, wenn sie den Begriff Ghul hören. Viele Kainiten finden es unvorstellbar, zu einem anderen Zweck einen Ghul zu erschaffen; in der Tat sehen die meisten Kainskinder Ghule, die keine Vasallen sind, als Blasphemie an. Im Großen und Ganzen sind Vasallen die „normalen“ unter den Ghulen. Die meisten von ihnen haben nicht um ihre neue Macht oder Unsterblichkeit gebeten, auch wenn nur wenige sich allzu laut beschweren, wenn das Blutsband erst einmal wirkt. Nur sehr wenige von ihnen wissen auch nur ein Viertel dessen, was ein Neugeborener über die Gesellschaft der Kainskinder weiß. Irgendwann hat etwas Altes und Mächtiges sie einfach ausgewählt, etwas, das noch ein Paar Hände wollte. Auch wenn der Vitæ-Nachschub eines Vasallen mehr oder weniger geregelt ist, hat er sonst nicht viel, worauf er sich freuen kann. In der Tat achtet er besser darauf, sich ansehnlich zu verhalten, wenn er regelmäßig seine flüssige Kraftnahrung bekommen will. Er muss sich auch mit der Tatsache abfinden, dass er liebt – wahrhaftig, leidenschaftlich, auf eine Weise, die er nach dem Zerbrechen seiner ersten Liebe nicht wieder für möglich gehalten hätte –, und zwar eine Person, die ihn im besten Falle mit oberflächlicher Freundlichkeit und im schlimmsten mit drakonischer Grausamkeit behandelt.
Das Traurige ist, dass die große Mehrheit der Vasallen wirklich keine Ahnung hat, was eigentlich läuft. Sie wissen nicht, warum sie empfinden, wie sie nun mal empfinden; sie wissen nicht, was das für ein wundersames Getränk ist, dass ihr neuer Freund ihnen einflößt. Aber sie sind loyal, wenn auch nur, weil sie nicht wollen, dass der Zauber endet. Sie wollen nicht in das monochromatische, geschmacklose Leben zurückkehren, das sie vorher geführt haben. Ach, und wissen Sie was? Das sind noch die, die Glück haben. Denn wenn ein Ghul erst einmal auf die andere Seite des Mysteriums gezerrt worden ist, wenn sein Domitor die Maskerade verletzt hat, ist er ganz und gar von dessen Launen abhängig. Unabhängige
„Du weißt so gut wie ich, dass du nicht alles selbst machen kannst, oder hast du vergessen, dass du ausschließlich nachtaktiv bist? Vertrau mir, du kannst dich auf mich verlassen, und so hoch ist mein Preis eigentlich gar nicht.“ Sie glauben, es sei hart, drogenabhängig zu sein? Versuchen Sie das mal, wenn die Dealer sie erschießen wollen, sobald sie Ihrer ansichtig werden. Der Weg eines Unabhängigen ist hart. Kainskinder sehen diese herrenlosen Ghule als gefährlich und unkontrollierbar, und ein Vampir misstraut allem, was er nicht kontrollieren kann, zutiefst. Üblicherweise ist ihre einzige Chance, Vampire zu entführen und zu vernichten, um an Blut zu kommen. Andere dienen Vampire als freiberufliche „Helfer“ und kümmern sich bei Tage um besonders schwierige Probleme.
Unabhängige Ghule kommen von überall, doch sie unterscheiden sich deutlich von normalen Menschen. Sie sind keine Marionetten; sie tun, was sie tun, aus freien Stücken. Üblicherweise sind es Waisen: Ein Domitor stirbt, und seine Feinde sind unaufmerksam genug, ein oder zwei Diener entkommen zu lassen. Manchmal ist die Waise schon so lange ein Ghul, dass sie weiß, dass sie innerhalb eines Monats an Altersschwäche sterben wird, wenn sie nicht an Vitæ kommt. Viele Unabhängige geraten aus Verzweiflung auf diesen Weg.
Natürlich ist die Lage bei manchen Unabhängigen komplexer. Manche sind vielleicht zufällig über die Gesellschaft der Kainiten gestolpert und haben irgendwann entdeckt, welche Macht in Vitæ liegt. Andere waren vielleicht Kultisten, die entdeckt haben, dass es eine Sorte Blut gibt, die sich viel besser für Rituale eignet. Ein paar wenige waren vielleicht sogar kannibalistische Mörder, die sich ein außergewöhnlich starkes Opfer ausgesucht hatten und herausfanden, warum es so stark war. Doch selbst ohne das Blutsband bleibt man süchtig, und nur eine Handvoll derer, die einmal Vitæ gekostet haben, trinken sie danach nie wieder.
Wiedergänger[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
„Was? Was ist denn? Du siehst … irritiert aus. Dafür besteht keine Notwendigkeit. Komm doch herein. Ich möchte dich meiner Familie vorstellen. Ich glaube, sie werden dich mögen.“ Wiedergänger sind Ghule, die ihren Zustand geerbt haben und in ihren eigenen Adern Vitæ generieren können. Diese langlebigen, dekadenten Ghule stehen fast immer im Dienste des Sabbat, doch es gibt Ausnahmen. All die perversen Triebe und finsteren Gelüste, die in einem durchschnittlichen Ghul hochkochen, sind bei Wiedergängern um ein Vielfaches verstärkt. Wiedergänger veranstalten merkwürdige Familienfeiern, üblicherweise von der Sorte, die Völlerei, Drogen oder Opfer (oder alles drei) umfassen. Sie sehen sich als der Menschheit überlegen und damit über deren Moral stehend an. Manche verehren Vampire regelrecht als Götter, während andere selbst Vampire werden möchten.
Für die Menschheit hingegen haben loyale Sprösslinge der Wiedergängerfamilien nichts als Verachtung übrig. Wiedergänger sind ein in Clans organisierter, isoliert lebender Haufen, und die unterschiedlichen Familien bringen einander sehr wenig Vertrauen entgegen. Besonders die Grimaldis und Zantosas haben schon zu viele Fehden hinter sich, um einander noch als Freunde zu sehen. Auch wenn Wiedergänger mit Ghulen rivalisierender Familien zusammenarbeiten, wenn es erforderlich ist, missfällt ihnen das meist.